Ein Stück Schweizer Geschichte
Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts sind wohl um die dreihundert Cigarrenfirmen entstanden und wieder erloschen. Sie produzierten in verschiedenen Regionen, so etwa im Waadtland und im Tessin. Aber nirgends existierten so viele Tabak verarbeitende Fabriken auf engstem Raum wie im aargauischen Wynen- und Seetal.
Einen steilen Aufschwung erlebte die Tabakindustrie im Aargau gegen Mitte des 19. Jahrhundert, praktisch gleichzeitig erlitt die Baumwollbranche einen besonders heftigen Einbruch. 1857 wurden im Kanton 15 Tabakfabriken gezählt, die zusammen 6800 Zentner Rohtabak verarbeiteten. Schon bald war die aargauische Cigarrenindustrie mit 1400 Beschäftigten das zweitgrösste Produktionszentrum der Schweiz nach der Region Biel/Seeland/Waadt. Und am Ende des 19. Jahrhunderts befand sich fast die Hälfte der schweizerischen Tabakfabriken im Kanton Aargau.
Neben den klassischen Kopfcigarren stellten die Schweizer Fabriken seit etwa 1850 ein Produkt her, das als besonders schweizerisches Tabakerzeugnis gilt und vor allem als die Cigarre des kleinen Mannes berühmt wurde: die Bouts oder Stumpen, die in einem aktuellen deutschen Cigarrenbrevier als „die Cigarren der Eidgenossen“ beschrieben werden. (was ist ein Stümpli)
Das Stumpenland im Süden des Kantons Aargau und im angrenzenden Luzerner Hinterland lebte hier vom Erfolg der Tabakindustrie und litt mit ihrem "Untergang".
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In der ausgeprägten Nachkriegskonjunktur verzeichnete der Export einen starken Anstieg, der aber abflachte, als nach 1920 die ausländische Konkurrenz wieder einsetzte.
Der Import von Fertigfabrikaten nahm in der Folge zu und die fiskalische Belastung in der Schweiz wurde grösser.
Während in den meisten Gewerben die Mechanisierung der Arbeit schon seit Jahrzehnten im Gang war, beruhte die Tabakverarbeitung noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem grossen Teil auf Handarbeit.
Dies war unter anderem darauf zurückzuführen, dass Maschinen zur Herstellung von Cigarren steuerlich so stark belastet wurden, dass sich ein Einsatz kaum lohnte. Erst ab den 50er Jahren begann sich die maschinelle Verarbeitung weitgehend durchzusetzen. Wickelstrangmaschinen wurden angeschafft, und in den 60er Jahren folgten die Überrollmaschinen.
Doch auch durch gross angelegte Rationalisierungsmassnahmen war der allmähliche Niedergang nicht aufzuhalten. Die grosse Zeit der Stumpen war vorbei.
Zunehmend machte der Cigarrenindustrie auch die Konkurrenz durch die Zigarette zu schaffen, die sich während des Ersten Weltkrieges rasch verbreitet hatte und sich vor allem bei der jüngeren Bevölkerung immer grösserer Beliebtheit erfreute. Sie passte wohl besser in die schnelllebige Zeit.
Eine Welle von Betriebsschliessungen, Übernahmen und Fusionen war die Folge.
In den 20er Jahren lancierten die Stumpen- und Cigarrenfabrikanten eine gemeinsame Reklamekampagne unter dem Motto „Sei ein Mann, rauche Stumpen und Cigarren“.
Die letzten produzierenden Firmen des Stumpenlandes, die überlebt haben sind „Burger Söhne AG“ in Burg, Villiger Söhne AG in Pfeffikon, sowie einige kleinere wie die Eicifa Eichenberger & Cie in Menziken.